Von der Eifel nach Santiago de Compostela – Etappe 2
Draußen sind es Minus 2 Grad und trotzdem verspüre ich die Lust weiter zu laufen. Heute geht es von Kottenheim los, da wo ich beim letzten Mal meinen Pilgertag beendet hatte. Mit meinem Vater habe ich ausgemacht, dass er mich an meinem Ankunftsort abholt und mich dann anschließend zu meinem Auto in Kottenheim fährt.
Mein Startpunkt ist mir gut bekannt, denn ich habe einen Ex-Freund der in Kottenheim aufgewachsen ist, weshalb ich dort viel Zeit damals bei ihm und seiner Familie verbracht habe. Lange bin ich nicht dort gewesen. Erinnerungen kommen hoch. Wie schnell die Zeit vergeht. 20 Jahre bin ich nicht mehr hier gewesen, doch der Ort hat sich kaum verändert. Ich stelle mein Auto ab und schaue, ob ich alles dabei habe. Schlüssel, Handy und ganz wichtig heute: Handschuhe.
Ich ziehe los über Felder und durch Wald vorbei an einem Steinbruch. Wie immer sind nur Jogger und Hundespaziergänger unterwegs. Neben anderen Pilgern scheinen die meine Clique zu sein, die Menschen, die ich immer treffe auf all meinen Wegen. Nach einer kurzen Strecke überquere ich eine laute verkehrsreiche Straße und finde mich in einem Industriegebiet wieder. Ein Teil der Pilgerungen, der weder in Berichten noch in Youtube Videos beschrieben wird, denn das ist immer das Gegenteil von einem Highlight, ein Lowlight, wenn man das so nennen kann.
Die Autos ziehen an mir vorbei und ich frage mich, wie lange ich mich nun durch den Lärm kämpfen muss. Da ich mich in der Gegend etwas auskenne, wird mir schnell klar, dass ich zunächst komplett durch Mayen hindurch muss, bis es dann irgendwann ruhiger wird.
Mayen ist ein schöner Ort. Auch hier kenne ich mich aus, weshalb ich mir nicht viel ansehe, sondern die Muschel aus Mayen hinaus suche.
Kurz vor Ortsende sehe ich ein großes Schild mit der Aufschrift Jakobussäule. Gegenüber in einem Vorgarten eine kleine Säule. Es scheint tatsächlich ein anderer Pilger hier zu wohnen. Ich finde es faszinierend wie sehr der Jakobsweg in den Herzen vieler Menschen bleibt. Wenn man einmal auf diesen Weg gerufen wurde, lässt der Weg einen nicht mehr los.
Es geht raus aus dem Ort und ich genieße die Ruhe. Ich habe etwas Sorge vor den Höhenmetern die da vor mir liegen, aber gehe weiter in kleinen Schritten. Auf einer Bank mit schöner Aussicht beschließe ich eine Pause zu machen. Stille, ich höre nicht. Es ist verrückt: wenn ich in der Stadt bin und Trubel um mich herum habe, vermisse ich die Stille, befinde ich mich in der Stille, vermisse ich andere Menschen. Was will ich denn jetzt? Ruhe oder Trubel?
Nachdem ich meinen Tee getrunken habe ziehe ich weiter. Im Wald sehe ich plötzliche eine Kapelle. Sie ist natürlich abgeschlossen, aber hinter der Kapelle kann ich eine Statur und Kerzen erkennen.
„Es kann nicht mehr weit sein bis zu Statur,“ denke ich. Mir begegnet ein Mann mit seinem Hund. Der Golden Retriever versucht mit seiner Pfote das Eis auf einer Pfütze aufzubrechen, was ihm dann auch gelingt. Der Mann lächelt und sagt zu mir: „Er hat Durst“.“
Ich ziehe weiter und kann dann in der Ferne die Pilgerstatur sehen. Hier bin ich schon einige Mal gewesen und ich liebe diese Statur. 5 m hoch schaut ein Pilger in Richtung Santiago. Die Menschen die den Eifelcamino zusammen gestellt haben, gaben sich wirklich wahnsinnig viel Mühe. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen eine kurze Pause zu machen, aber dort sind Teenager mit einem 4-wheeler unterwegs und es ist laut, also beschließe ich weiter zu ziehen.
Der Weg durch den Wald nach Monreal ist komplett vereist. Ich bin froh, dass ich meinen Stock dabei habe und gehe in kleinen Schritten den Weg hinunter. „Gehe ich bis Monreal oder bis Kaisersesch?“ Ich kann mich nicht entscheiden. Es ist kalt und eisig und eigentlich wahnsinnig, dass ich bei dieser Kälte durch die Gegend ziehe. Jedoch sind es erst 13 Uhr und in Monreal werde ich gegen 13:45 eintreffen. Das ist sehr früh. Ich will meinen Vater noch nicht durch die Gegend jagen.
Ab nun ist mir die Strecke bekannt. Genau die bin ich in meinem Video über den Eifelcamino gegangen. Bei meiner Pilgerung von Mayen nach Trier im März 2019 habe ich mich in den Eifelcamino verliebt. Positive Erinnerung strömen durch meinen Kopf, während ich versuche nicht auszurutschen. Ich beginne die Ruhe zu genießen und fühle mich plötzlich nicht mehr alleine, sondern frei. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Noch schneller als ich dachte komme ich auf einmal in Monreal an. Dieser kleiner Ort ist so wunderschön. Immer wieder freue ich mich durch die Gassen zu laufen und die alten Fachwerkhäuser zu bewundern. Hier ist ein besonderer Flair. Von meiner letzten Pilgerung weiß ich genau, wo sich der Stempel befindet und ich bete und hoffe, dass die Tür zur Kirche offen ist. In Coronazeiten sind Türen geschlossen, die normalerweise nie geschlossen sind, weshalb ich nervös und skeptisch bin.
Das Glück ist heute bei mir und die Tür ist offen. Ich schreite durch die wunderschöne türkis farbene Tür und sehe den vertrauten Stempel in der Schublade liegen. Auf dem Camino Frances empfand ich das Stempeln manchmal nervig, hier in Deutschland liebe ich es. Wenn ich noch mal in Spanien ankomme, werde ich aber auch das Stempeln mehr geniessen.
Ich schaue kurz vorne zum Altar und dann trete ich durch die Tür zurück nach draußen. Ein kurzes Telefonat mit meinem Vater und ich entscheide mich heute bis Kaisersesch zu pilgern, wo er dann auf mich wartet.
Von meiner letzten Pilgerung ist mir auch in Erinnerung, dass es nun 6-7km an der Bahnstrecke entlang immer gerade aus geht. Zeit um meine Gedanken schweifen zu lassen. Auch eine Frage der Perspektive.
Warum tue ich das? Warum liebe ich es so sehr zu pilgern? Da kann man mit Auto oder Fahrrad fahren, kann die Bahn oder ein Flugzeug nehmen und ich streife bei eisiger Kälte zu Fuß durch die Gegend und genieße es auch noch. Vor kurzem habe ich ein Buch gelesen. „Tag 1 auf dem Weg nach Santiago
Ein Kommentar
João Manuel
Olá Miriam,
welch tolle Inspiration einfach die Natur und das Leben täglich gehend zu Genießen soweit einem die Füsse tragen.
Einfach Dankeschön
Bom Caminho