Von Ängsten und Glück in einer Pandemie
Herbst
Normalerweise ist der Herbst meine liebste Jahreszeit. Ich liebe es wie die Blätter ihre Farben wechseln und langsam von den Bäumen fallen. Meist ist es noch etwas sonnig, aber es ist nicht mehr heiß. Es duftet ständig nach Kürbissuppe in meiner Wohnung und ich beginne mich einzumurmeln. Doch dieses Jahr ist irgendwie alles anders. Da ich es schwierig fand das Jahr auch nur ansatzweise zu genießen, fällt es mir auch nun schwer mich auf meine sonst so geliebte Jahreszeit zu freuen.
Während ich diesen Post schreibe, denke ich an meinen letzten Herbst, den ich auf dem Camino Frances verbrachte. Im nach hinein schätze ich mich als überaus glücklich, dass ich nur wenige Monate bevor die Pandemie ausbrach in einer ehemals normalen Welt meinen ersten Jakobsweg gehen durfte. Doch nun gibt es ein neues normal und manchmal wunderer ich mich darüber, wie schnell wir uns alle an diese neue normal gewöhnt haben.
Eifelcamino
Als ich im März dieses Jahr auf dem Eifelcamino pilgerte, kann ich mich noch genau daran erinnern, wie meine Mutter mich anrief und mich fragte, ob an dem Coronavirus wirklich was dran sein und ich ihr antwortete „Ach quatsch, mach dir keine Sorgen. Das ist nur ein Medienhype!“ Ein paar Wochen später wurde dann unser Leben von diesem Virus überrollt und es sollte alles anders werden.
Zunächst dachte ich, dass wir nun ein paar Wochen durchhalten müssen und das dann schon alles vorbei sei. Schließlich hatte ich doch schon mein Zugticket nach Irun gebucht, um meinen zweiten Jakobsweg, den Camino del Norte im Mai zu beginnen. Plötzlich bekam ich Angst. Meine Aufträge für April und Mai wurden alle abgesagt. Als Freiberuflerin kamen dann Existenzängste in mir hoch. Auch traute ich mich kaum aus dem Haus, weil die Angst vor dem Virus so groß war. Langsam wurde mir klar, dass ich im Mai nicht nach Spanien können würde. Ich fragte mich ständig, woher ich dieses komische Gefühl kenne, dieses Gefühl nicht in der Realität zu sein. Ein Gefühl, dass nicht passte zu allem, wie ich bisher so lebte. Und dann wurde mir klar, dass ich dieses Gefühl aus einer traumatischen Situation kannte, die ich vor ein paar Jahren erlebt hatte. Man könnte es auch kognitive Dissonanz nennen: ein Widerspruch zwischen zwei kognitiven Wahrnehmungen. Meinem Gehirn fiel es schwer die Corona Situation zu verarbeiten.
Damit war ich und bin wohl jedoch nicht alleine. Ich habe seit Monaten das Gefühl, dass die ganze Welt in einer kollektiven kognitiven Dissonanz steckt. Ich will noch gar nicht darüber nachdenken, was wir darüber erkennen, wenn wir in ein paar Jahren die Pandemie hoffentlich hinter uns gelassen haben.
Zukunftsängste
Auf jeden Fall habe ich in den letzten Monaten vorsichtig gelebt. Beruflich hat sich bei mir alles schnell wieder stabilisiert und ich mußte mich kaum umstellen, da ich schon vorher von zu Hause gearbeitet habe. Da ich weder Party noch Ausgehfröhlich bin, war auch das keine große Umstellung für mich. Meistens gehe ich in meiner Freizeit tatsächlich Wandern und das alleine. Der Teil des „social distancing“ hatte und hat also für mich keine großen Auswirkungen. Was mich betrifft, sind es wohl die Zukunftsängste, die mich am meisten belasten. Dabei geht es nicht nur um die Pandemie. Mit Sorgen schaue ich auf die USA, überhaupt die Weltwirtschaft. Wird sich das alles erholen oder wird es ab sofort nur schlimmer werden? Im Umfeld bekomme ich mit, dass Arbeitsplätze verloren gehen und in Düsseldorf sehe ich ein Restaurant nach dem nächsten für immer den Herd ausmachen.
Neben diesen Themen, gibt es aber noch ein anderes großes Thema, welches mich beschäftigt: Klimawandel! In den letzten Monaten habe ich viel dazu gelesen und in mitten in der Pandemie sehen wir Bilder von Bränden und Überflutungen. Jede Woche neue Naturereignisse, welche die Welt zum Beben bringen und wenn ich mich so umschaue scheint es allen egal zu sein. Es wird fast nichts dagegen unternommen.
Wir ihr lesen könnt, mache ich mir zu viele Gedanken, die nicht an den ganzen Situationen verändern. Mein Ausgleich: Wandern. Wenn ich wandere bin ich glücklich und finde Zufriedenheit in der Natur. Und wenn ich eins auf dem Jakobsweg gelernt habe, ist es wie glücklich mich ein Ziel machen kann. Ziele kann man sich immer setzen. Durch Zufall habe ich eine Ausbildung zur Wanderführerin entdeckt. Das war für mich ein ideales Ziel in dieser Zeit: Mehr über etwas lernen, was ich leidenschaftlich gerne tue. Den ersten Teil der Ausbildung habe ich nun schon gemeistert und bereite mich gerade auf die Projekthausaufgabe vor, die wir bis zum nächsten Teil leisten müssen. Mehr über die Ausbildung schreibe ich gerne, wenn ich sie hoffentlich abschließe. Drückt mir also die Daumen!
Das wichtigste kommt zum Schluss. Was mich in den letzten 3 Monaten unfassbar erfüllt und glücklich gemacht hat, ist dieses kleine Wesen hier:
Toni, Rauhaardackel, 5 Monate und in der Ausbildung zur zukünftigen Wander- und Pilgerassistentin. 🙂
Wenn die Pandemie uns nicht überrollt hätte und ich auf den Camino del Norte gegangen wäre, hätte es Toni nicht in meinem Leben gegeben und diesen kleinen Kuschelengel möchte ich in meinem Leben nicht mehr missen. Man muss sie noch etwas bremsen, da sie noch sehr jung ist, aber auch bei den kurzen Welpen gerechten Spaziergängen, ist schon eins zu erkennen: Sie geht genau so gerne wie ich! 🙂