Neujahrsvorsätze und ein gutes neues Jahr
Während ich gerade versuche die richtigen Worte zu finden, diesen Beitrag zu beginnen, ist es hektisch im Haus. Ich bin immer noch bei meinen Eltern in der Eifel und der Hund hat sich eben zwei Mal übergeben. Da fällt es mir gerade schwer mich zu konzentrieren. Eigentlich können es nur zwei Dinge sein: Sie hat etwas vom Mittagessen nicht vertragen oder es ist ihr zu hektisch hier heute. Meine Mutter hat nämlich den Hektik Motor heute besonders hoch gefahren und ich habe sie auch schon zwei Mal angemault. Alle versuchen etwas Ruhe zu finden und meine Mutter hört laut Musik und putzt das ganze Haus inklusive Saugen des Heizungskellers, das alles am 1. Januar – Feiertag und Start ins neue Jahr.
Emotional befinde ich mich gerade zwischen hoffnungsvollen neuen Vorsätzen und der mutlosen Frage nach wann ich die jemals umgesetzt habe. Mir fallen unendlich viele nicht durchgeführte Abnehm- und Fitnessabenteuer ein, die spätestens an Tag 9 aufgegeben wurden. Aber während ich das schreibe, denke ich auch gerade an den 31.12.14 an dem ich mir vorgenommen habe für ein paar Monate auf Alkohol zu verzichten. Das ist mir witzigerweise geglückt. Ich hatte auf einer Weihnachtsfeier zu viel getrunken und laut meinem Eindruck dummes Zeug erzählt. Für mich war es nie Spaß zu feiern und zu trinken, sondern mich machte Alkohol irgendwie immer deprimiert und nicht nur am Abend selbst, sondern auch an den Tagen danach, weshalb ich beschloss es doch einfach komplett sein zu lassen. Die ersten Monate waren komisch immer wieder „nein danke, ich möchte keinen Alkohol trinken“ zu sagen, doch schon im Sommer merkte ich, dass es mir nichts mehr ausmachte, weder nichts zu trinken, noch zu sagen, dass ich nichts trinken möchte und so kam dann der 31.12.15 und ich hatte ein Jahr nichts getrunken. Ich blieb dann dabei und nun sind es schon sieben Jahre, eine beendete Beziehung, viele Feiern, Sylvesternächte und einen Jakobsweg später und ich habe immer noch nichts getrunken. Auch gestern habe ich nichts vermisst. Ich denke gar nicht mehr darüber nach. Es ist für mich normal geworden. Warum klappt das mit meinen anderen Zielen nicht so?
Darüber wollte ich gar nicht schreiben, aber es kam mir gerade in den Sinn, als ich über Neujahrsvorsätze nachdachte. Vielleicht ist das ein Zeichen dieses Jahr ein paar Vorsätze in die Welt hinaus zu schreiben und da sind wir auch schon beim Thema.
Ich möchte mehr schreiben! Mein Ziel ist es nicht ein Buch zu schreiben oder hier viele Leser zu gewinnen. Mein Schreiben ist nicht gut, was aber nicht bedeutet es lassen zu müssen, oder? Es macht mir Spaß und ich möchte so versuchen meine Gedanken zu sortieren und fest zu halten. Trotzdem sehe ich bei dem Wunsch schreiben zu wollen immer das Gesicht meines Deutschlehrers aus der Oberstufe, wie er die Lippen verzieht, nachdem ich freudig einen Aufsatz geschrieben habe und dieser nun korrigiert zurück kam. Meine kleine Stimme fragte aufgeregt: „Nicht gut?“ Und er schüttelte nur mit dem Kopf und verzog die Lippen. Es ist schon verrückt wie solche kleinen Momente 20 Jahre später noch herum geistern können. Damit meine ich nun nicht, dass ich „Schreibtraumatisiert“ bin, das auf keinen Fall. Aber es geistert mir durch den Kopf wenn ich sage: Ich möchte mehr schreiben. Mir zieht dabei der Geruch der alten Holzbänke in die Nase und ich sehe meinen Lehrer in seinem beigen 90er Jahre Anzug, der sich mit den gelben Wänden des Klassenzimmers beisst.
Gewicht reduzieren steht auch wieder auf der Liste, aber da möchte ich gerade nicht tiefer eintauchen. Erstens ist es ein langweilig Thema, welches meine ganze Familie gestern Abend am Tisch beim Sylvester Kartoffel Salat mit der Frage nach Vorsätzen erwähnte. Nur meine Oma hatte einen anderen Vorsatz: uns lieb zu haben. Nicht, dass sie und nicht lieb hat (hoffe ich zumindest), mit 88 Jahren ist das vielleicht einfach das wichtigste und Fitness steht eher hinten an.
Je mehr Feuerwerke ich an Sylvesterabende beobachte, desto weniger habe ich das Gefühl, dass der erste Januar ein besonderer Start ist. Dabei könnte man diesen Tag doch einfach als den Start einer neuen Pilgerreise sehen. Aber wenn ich daran denke, wie aufgeregt ich war, als ich nach St. Jean Pied de Port gefahren bin, dann sind die Aufregung, die Abenteuerlust, aber auch die Hoffnung kaum vergleichbar. Das Gefühl, als die Tür von meiner Wohnung abgeschlossen habe und mit dem Rucksack auf meinem Rücken in der Dunkelheit zur S-Bahn lief. Die Zugfahrt von Düsseldorf nach Paris, die Fahrt von Paris nach Bayonne und schließlich St. Jean Pied de Port, ein Traum der plötzlich Realität in meinen Augen wurde. Am Nächsten Tag erste Schritte mit dem Ziel Roncesvalles. Und das ist etwas, was ich mir jeden Tag sage: Ich muss heute nicht nach Santiago de Compostella gehen. Heute ist mein Ziel Roncesvalles und dann sehe ich morgen weiter. Das heißt wenn ich die Pilgerreise des Jahres 2022 heute beginne, heißt es nicht, dass ich heute alles machen muss. Ich muss nur die ersten Schritte gehen. Das Problem ist wohl gerade, dass ich kein wahrhaftiges Ziel habe. Es ist nicht klar. Was wird mein Santiago de Compostella sein? Vielleicht geht es aber auch darum, die Schritte bewusster zu erleben, zu gehen. Tag für Tag. Es geht auch vielleicht darum, das Jahr als eine lange Pilgerreise zu sehen und diese an sich zu ehren, neugierig zu sein, was vor mir liegt und was ich dieses Jahr lernen werde über mich und das Leben. Während ich hier schreibe kommt mir ein Gedanke. Vielleicht ist genau das mein Ziel des Jahres: Vertrauen ins Leben zurück gewinnen, denn das ist, was ich in den letzten Jahren verloren habe und ich erdenke, dass gilt es hier zu ergründen. Es gibt definitiv ein paar Baustellen, voran, dass ich 41 Jahre und Single bin, dass ich seit ein paar Jahren nicht mehr gedatet habe und vollkommen das Vertrauen darin verloren habe, dass ich jemals jemanden kennen lerne mit dem es nicht nur funktioniert, sondern der vielleicht sogar eine positive Ergänzung sein könnte. Es ist sehr schwierig für mich zu Vertrauen und nicht verbittert über meine Erfahrungen zu sein.
Vielleicht ist es genau das, was ich lernen muss: Vertrauen in den Weg. Vertrauen darin zu haben, dass alles genau so richtig ist, wie es ist. Irgendwann werde ich die Geschichte aufschreiben, die mich so verbittert gemacht hat. Vielleicht ist das mein Santiago de compostella 2022.
Mir fallen nun fast die Augen zu. Während ich tippe und mein Hund gemütlich neben mir schnarcht, spüre ich eine erste Aufregung: wer weiß was dieses Jahr bringen wird? Heute musste ich nur nach Roncesvalles gehen und das habe ich geschafft. Und ich habe sogar mit einem Interessenten Mann geschrieben… Roncesvalles eben 🙂
Gute Nacht, ein frohes neues Jahr und buen Camino auf deinem Weg durch 2022.
2 Kommentare
Dieter
Hallo Miriam,
Ich bin zufällig auf Youtube auf Deine Tageswanderungen auf dem Eifel Camino gestoßen und ich war begeistert von Deinen Kommentaren und Erinnwrungen an Deinen Camino Frances.
Ich konnte mich so gut an meine eigenen Caminos in Spanien und und den Moselcamino von Koblenz nach Trier und von dort weiter über Metz nach Toul zurück erinnern.
Auch an Zweifel, die einem unterwegs ab und zu überkommen.
Für 2022 wünsche ich Dir alles Gute und weiterhin gute Erlebnisse auf dem Pilgerweg ( des Lebens) und auf der Strecke!
Buen camino y ultreia
Dieter
denweggeniessen
Hi Dieter, ach das freut mich 🙂 ich hoffe so sehr dass ich dieses Jahr endlich weiter von Trier komme, Richtung Metz und nach Le puy 🙂 lieben Dank fürs vorbei schauen! Ich wünsche die ein frohes neues Jahr!!! Buen Camino