Hallo! Wo bist du?
Hin und wieder werde ich gefragt, was ich mache und ob es mir gut geht. Manchmal werde ich auch gefragt, ob ich neue Videos und Podcastepisoden plane. Das ist für mich gerade alles schwierig zu beantworten. Gerne versuche ich es aber hier in einem Blogpost. Hier fällt es mir etwas leichter meine Gedanken und Gefühle zu ordnen.
Zunächst aber mal: Es geht mir ganz ok. Was soll ich lügen? Die letzten 1,5 Jahre waren extrem schwierig für mich. Die schwere Zeit begann mit dem Tod von meinem Großvater. Vielleicht muss man das als glücklichen Zustand beschreiben, dass mein Großvater mein erster wirklich großer Verlust im Erwachsenenalter war. Bei meinen Großeltern väterlicher Seite war ich noch sehr jung und damals konnte ich noch nicht begreifen, was es bedeutet, wenn jemand stirbt.
Der Verlust meines Großvaters
Bei meinem Großvater war ich aber zum ersten Mal komplett dabei und habe ihn bis zum Ende begleitet. Meine Familie war zu diesem Zeitpunkt völlig überfordert. Mir kommen gerade die Tränen während ich diese Sätze tippe. Obwohl mein Großvater 94,5 Jahre alt war und ein langes erfülltes Leben gelebt hat, kam es trotzdem sehr plötzlich. Er war bis zum Ende klar im Kopf und sein Körper ist innerhalb weniger Tage einfach „herunter gefahren“. Trotzdem quält uns kein warum. Zum einem war mein Großvater trotz des „plötzlichen“ Todes darauf vorbereitet und war emotional und spirituell bereit zu gehen, zum anderem hatte er ein hohes Alter. Aber meine Großmutter dabei zu beobachten die Liebe ihres Lebens, nach über 70 Jahren gehen zu sehen, hat mein Herz gebrochen. Das war einfach schlimm, neben unserem eigenen Verlust, der von meiner Mutter, die ihren Vater ziehen lassen musste, mein Vater der sich von seinem geliebten Schwiegervater verabschieden musste und ich von meinem herzensguten Opa. Das war schwer. Ein ganz anderes Thema, über das ich irgendwann auch mal schreiben möchte: die Wut auf unser Gesundheitssystem allgemein und speziell in Bezug auf alte Menschen. Dazu habe ich viele Gedanken.
Neben dem Verlust kamen dann auch viele Veränderungen auf mich zu. Es war ziemlich schnell klar, dass meine Großmutter nicht alleine sein kann, aber das wir sie auch nicht ins Heim tun wollten. So ist sie dann zu meinen Eltern gezogen, auch wenn ihr Haus nur zwei Straßen entfernt ist. Es ging dabei hauptsächlich ums Schlafen. Meine Eltern sind beide Vollzeit berufstätig und die einzige Möglichkeit, dass meine Großmutter bei uns bleiben könnte, war das ich meine Zeit wieder hauptsächlich auf dem Land verbringen würde.
Es war eine anstrengende, gleichzeitig schöne Zeit. Wir stritten, weinten zusammen, lachten auch viel und hatte eins gemeinsam: Wir vermissten unseren Opa. Da ich von zu Hause arbeite, konnte ich immer ein Auge auf Oma haben und nun waren die Rollen vertauscht. Früher hat meine Oma für mich gekocht und auf mich aufgepasst und nun kochte ich für meine Oma und passte auf sie auf.
Mein Großvater hat aber noch ein hilfebedürftiges Wesen zurück gelassen. Seinen Graupapagei Dino. Für ihn wurde es auch schwierig. Erst der Verlust von meinem Opa und dann musste er auch zu meinen Eltern ziehen. Die ersten Wochen hat er das alles nicht so gut weggesteckt und wurde sehr krank. So wurde ich auch noch zur Papageienkrankenschwester. Er wurde jeden Tag mit einem aufwendigen Therapieregime behandelt und ich bangte sehr um ihn, denn schließlich ist auch er schon seit 26 Jahren ein Familienmitglied. Er hat sich dann doch gut erholt und durch die Nähe der vielen Medikamentenanwendungen begann er sich an mich zu klammern, hat mich als seine neue Bezugsperson auserkoren. Mit Oma, Graupapagei Dino, unserem Rauhaardackel Toni und meiner Arbeit hatte ich ganz schön viel zu tun. Da war nicht viel mit Urlaub. Sehr oft hatte ich es geplant einen Camino zu gehen, aber es ging einfach nicht in der Zeit. Ich konnte meine Familie in der Situation nicht alleine lassen . Im Juli 2022 bin ich jedoch 5 Tage nach Schweden auf die Hochzeit meines Cousins gefahren. Obwohl ich zwei Jahre so vorsichtig war, habe ich mir dann da tatsächlich Corona eingefangen.
Zurück aufs Land
Ich habe mich dann zu Hause bei meinen Großeltern bzw. dann schon in meinem Haus isoliert. In der Zeit auf dem Land, wurde mir nämlich klar, dass ich nicht zurück in die Stadt wollte. Aus vielen Gründen konnte ich mir das nicht mehr vorstellen. Zum einem: unsere Zeit ist begrenzt und ich spürte, dass ich nah bei meiner Familie sein wollte. Zum anderen: die letzten Jahre mit Pandemie, Energiekrise und Klimawandel haben mir gezeigt, dass ich mich auf dem Land mit Holzofen, eigenem Garten und Platz sicherer fühle, was vielleicht nicht heißt, dass man es ist, aber ich fühle mich hier etwas behüteter. Dann ist da noch eine dritte Sache: seit dem Camino 2019 möchte ich einfach in der Nähe von Natur sein. Mir reicht es einfach nicht mehr am Wochenende Ausflüge in die Natur zu machen. Ich möchte jeden Tag dort sein und hier kann ich von meinem Fenster in den Wald hineinschauen. Der letzte und für mein ein sehr wichtiger Grund: wenn ich mich nicht dafür entschieden hätte, dass Haus zu nehmen, dann hätten wir es verkaufen müssen und das wollte meine Familie und ich auch nicht.
So ist das einfach die perfekte Lösung. Trotzdem es ist auch eine große Veränderung von Düsseldorf in ein Dorf mit gerade mal 1.400 Einwohnern zu ziehen und nicht mehr alles ständig zur Verfügung zu haben. Auch wenn ich hier in der Heimat noch viele gute alte Freunde habe, vermisse ich auch eine Freundin in Düsseldorf und ihre liebe Hündin sehr. Die beiden sind nämlich meine Düsseldorfer Familie.
Die Pflege meiner Oma
Während ich Corona hatte und leider zu Hause in Quarantäne verweilen musste, hatte mein Großvater Jahresmesse. Meine Großmutter und meine Eltern sind zur Messe und anschließend zum Friedhof gegangen. Als meine Oma vor dem Grab meines Opas stand, brach sie auf einmal zusammen, als es wäre es ihr auf einmal klar geworden, dass dort mein Großvater liegt und er nicht mehr zurück kommt. Von dem Tag an wollte sie nichts mehr essen, egal, was wir auch versuchten und wie sehr ich bettelte. So verließ sie dann auch die Kraft irgendwann und wurde bettlägerig. Die zwei Monate in denen sie im Bett lag, waren für uns als Familie der blanke Horror. Ich bin jeden Abend mit Panik ins Bett gegangen, dass meine Oma am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen würde. Es war einfach furchtbar, um sie zu bangen und gleichzeitig zu wissen, dass wir los lassen müssen und das sie zu Opa will. In den letzten Wochen wurden wir von einem Hospizverein liebevoll begleitet. Ich weiß nicht, was wir ohne den gemacht hätten.
Und am 31. August gegen 18 Uhr schlief meine Großmutter für immer ein, während draußen in der Abendsonne die Kinder auf der Straße spielten und lachten. Die Pflegesituation meiner Großmutter hat mich für immer verändert. Diese 16 Monate bereue ich kein Stück und ich ich würde es immer wieder genau so machen, aber trotzdem muss ich sagen, dass diese Zeit mich in ein tiefes Loch gezogen hat. Und nein, das sind keine Depressionen, mit denen ich momentan versuche umzugehen, es ist eine schwierige Zeit die verarbeitet werden will. Früher durfte man sich noch Zeit nehmen, um schwierige Lebensphasen zu verarbeiten, ohne dass alles sofort als eine Depression diagnostiziert wurde, heute soll man wieder sofort gut funktionieren. Wir müssen doch produktiv sein, um zu arbeiten um so genug Geld zu haben, um brav Steuern zu bezahlen und zu konsumieren.
Bei mir kommt auch noch hinzu, dass ich generell ein lustiger Mensch bin. Das ist einfach meine Natur und während meine Seele traurig ist und leidet, kann ich trotzdem gleichzeitig auch die schönen Dinge wahr nehmen. Das ist so eine Art super power von mir. Humor hilft echt immer. Eine gute Portion Humor ist ein Heilmittel, was ich jedem in schweren Zeiten wünschen kann.
Nachdem meine Oma gestorben ist, habe ich mich in die Arbeit gestürzt und nun sitze ich hier zum ersten Mal seit vielen Monaten und habe Zeit, Zeit zu trauern, Zeit zu verarbeiten und auch Zeit zu überlegen, wie es jetzt für mich weiter geht.
Nah dran an Pflege, Tod und Sterben, merkt man wie kurz das Leben ist, auch wenn es mit viel Glück lang sein kann. Die Zeit rennt und es geht mir wahnsinnig auf die Nerven mit wie viel Mist ich ständig beschäftigt bin und wie wenig Zeit ich mir für die Dinge nehme, die mir wirklich etwas bedeuten und meine Seele beflügeln.
Eine gute Nachricht: mit meinen 42 Jahren weiß ich, was ich will und ich weiß, was ich nicht will. Ich weiß, was mir gut tut und ich weiß, was mir nicht gut tut.
Was steht also an?
Zum einen möchte ich das Haus von meinen Großeltern in ehren halten und zwar für mich renovieren, aber gleichzeitig auch ihr Herz in dem Haus bewahren. Damit habe ich erst Mal gut zu tun. Momentan haben wir das Wohnzimmer und das Gästebad renoviert. Als nächstes steht das Esszimmer und das Schlafzimmer an. Im Februar bekomme ich einen kleinen Holzofen mit einer Kochplatte ins Esszimmer gebaut. Das habe ich mir schon von der Energiekrise gewünscht.
Dann freue ich mich auf die neue Gartensaison. Letzten Sommer habe ich schon einiges an Gemüse angepflanzt und im Sommer 2023 möchte ich das noch ausweiten, um mich so viel wie möglich aus dem Garten zu ernähren. Mir ist im letzten Sommer aufgefallen, dass dies gar nicht so einfach ist, wie man sich das vielleicht vorstellt. Mit Bewunderung schaue ich auf alte Fotos von meinen Großeltern und welches Meisterwerk an Nutzgarten die beiden hier bewirtschafteten.
Schon seit längerer Zeit wollte ich noch mal ein Studium machen, jedoch habe ich immer die Arbeit an die erste Stelle gesetzt. Nun ist viel passiert und wir werden höchstwahrscheinlich in eine Rezession geraten, wenn wir nicht schon in einer sind. In meiner Branche passieren seit Corona viele Veränderungen und mir wurde in den letzten Monaten klar, dass ich das so wahrscheinlich nicht ewig machen kann und es höchste Zeit wird mich weiter zu bilden, um mich auch in Zukunft gut aufstellen zu können. Ich bin Freiberuflerin und in den letzten Jahren habe ich gut verdient, aber die Aussichten für 2023 sind nicht mehr ganz so dolle und ich möchte die mir dann gegebene Zeit sinnvoll nutzen. Ich freue mich aber auch darauf wieder Lernen zu dürfen. Ich liebe es Neues zu lernen.
Durch die Zeit zu Hause, habe ich meine alten Freunde viel öfter gesehen und nun haben wir gemeinsam ein Projekt gestartet. Wir kennen uns durch gemeinsames Theater spielen in der Jugend und da uns allen das Singen für die Seele fehlt, haben wir beschlossen einen Ehemaligen Chor zu gründen. Wir haben uns erst ein paar Mal getroffen, aber ich bin jetzt schon begeistert davon, wie gut das meiner Seele tut wieder zu singen.
Was auch noch dazu kommt, ist das ich meine Gesundheit in den letzten zwei Jahren vernachlässigt habe und ich wieder mehr Sport und Yoga machen möchte. Mein Wandern hat sich mittlerweile auch auf meine Hundespaziergänge beschränkt. Zwar gehe ich jeden Morgen eine Stunde mit dem Hund in den Wald, aber ich spüre wie sehr es mir fehlt, tagelang durch die Gegend zu wandern. So bald also das Wetter im Frühjahr etwas besser wird, möchte ich wieder für ein paar Tage los ziehen.
Und wie geht es weiter mit dem Podcast und dem Youtube Kanal?
Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Ich möchte mich nicht dazu zwingen irgendwelchen „Content“ zu machen. Da es für mich ein Hobby ist, nehme ich die Inspiration zum Anlass. So bald ich natürlich einen Pilgerweg betreten werden, dann werde ich euch mit nehmen. Das steht fest! 🙂
Frohe Weihnachten und ein gesundes 2023 voller Freude und Seelenmomente wünscht Euch, Miriam