Deutschland - Santiago 2021/2022,  mein Jakobsweg,  Was mich bewegt...

Auf nach Santiago de Compostela – Tag 1

Ja, ihr habt richtig gelesen. Aber bevor es wie ein Clickbait Titel wirkt oder jemand denkt, dass ich mich nicht an die Pandemieregeln halte, möchte ich meinen Plan und die Umstände etwas genauer erläutern.

2020 war ein extremes Jahr für uns alle und auch ich musste meine Pilgerpläne auf Eis legen. Aber was soll ich sagen, es jucken die Füße so sehr. Natürlich wandere ich viel, aber für mich sind Pilgerfahrten und Wanderungen unterschiedlich und ich vermisse das Pilgern. Beim Wandern gehe ich gerne in die Natur und streife umher, ohne Sinn und Ziel meistens. Beim Pilgern ist das anders. Auch wenn die Wege nicht immer durch wunderschöne Natur verlaufen, da habe ich ein klares Ziel und das ist es, was ich gerade brauche.

Jetzt befinden wir uns in einem Lockdown, alle Hotels, Restaurants und Jugendherbergen sind geschlossen und es ist auch nicht zu vergessen, dass wir alle an der Kontaktvermeidung mitarbeiten sollten. Beim Pilgern oder Wandern draußen ist es nicht so gefährlich sich mit dem Coronavirus anzustecken oder es weiter zu verbreiten. Aber wenn man momentan mehrere Tage am Stück mit Übernachtungen laufen möchte, gibt es da schon einige Gefahren. Das ist mir im Sommer aufgefallen, als ich 4 Tage auf dem Moselcamino gepilgert bin. Natürlich begegnet man nicht vielen Menschen auf den Wegen und hat nicht so viele Kontakte. Außerdem ist man an der frischen Luft, wo das Risiko sowieso viel geringer ist. Trotzdem schläft man in einer Herberge oder in einem Hotel und begegnet dort anderen Menschen, ob beim Einchecken oder beim Frühstück. Dann hat man natürlich als Pilger riesigen Hunger oder Durst und setzt sich min. einmal am Tag irgendwo hin um einen Kaffee zu trinken oder etwas zu essen. Komme ich zum Punkt: Es ist momentan kaum möglich mehrere Tage am Stück zu pilgern.

Und trotzdem ruft Santiago de Compostela. Als ich am 31.12.20 im Livestream gesehen habe wie das heilige Jahr ausgerufen wurde, konnte ich die Stimme nicht mehr ignorieren. Ich möchte irgend etwas machen, irgendwie los. Also dachte ich mir: „Probleme sind verkleidete Möglichkeiten“: wie kann ich denn sicher los gehen?

Und da dachte ich sofort: Tagesetappen von zu Hause! So kann ich zu Hause übernachten und mir genügend Proviant einpacken, um Kontakte zu vermeiden. Das Laufen an sich ist ja nicht schlimm.

Ich überlegte hin und her und hin und her und am 02.01.21 nahm ich meinen Pilgerpass in die Hand, den ich mir letztes Jahr am Ende des Eifelcaminos in Trier für Irun ausstellen gelassen und änderte das Datum und den Ort an dem meine Pilgerung beginnen würde.

Spontan schmiss ich alles in meinen Tagesrucksack, was ich so benötige, wie heißen Tee (draußen war es wahnsinnig kalt) etwas Proviant und meinen Outdoor Eifelcamino Führer. Mein Vater und unser Rauhhaardackel Toni beschlossen mich die ersten 3km zu begleiten. Toni ist gerade 8 Monate alt geworden und darf noch nicht allzu weit wandern. Ich hoffe jedoch, dass ich sie auch irgendwann mitnehmen kann. Sie zeigt auf jeden Fall viel Gehfreude!

Erste Schritte

Als es um 11 Uhr läutete startete ich am Pilgerbrunnen in Maria Laach. Hier wurde ich getauft. Gibt es einen besseren Ort um los zu gehen? Für mich glaube ich nicht. Die ersten Schritte waren bekannt und es kam etwas Erleichterung in mir hoch, denn von nun an hieß es: einfach der Muschel folgen. Beim Wandern muss man hier und da nach Wegen suchen, teilweise muss ich auf meiner App nachschauen, wo ich bin wo ich lang gehe. Wenn ich pilgere heißt es für mich einfach nur: der Muschel folgen.

Auch wenn der Weg bekannt war, ging mir der Weg Richtung Mendig ziemlich auf den Keks, denn ich musste durch Berge von Matsch und Schlamm.

Gleichzeitig kamen erste Zweifel hoch, ob das alles so eine gute Idee ist. Zum einen befinden wir uns in einer Pandemie und zum anderen wollte ich doch irgendwann den ganzen Weg von Deutschland nach Spanien in einem Rutsch gehen und nicht mit Tagesetappen beginnen. Warum zieht es mich gerade den Weg so zu gehen? Ist es Ungeduld? Ist es ein Ziel zu haben?

Das ist es, was ich vom Camino Frances so vermisse: ein klares Ziel vor Augen zu haben und in meinem Alltag fällt es mir sonst schwer Ziele zu setzen und diesen dann auch zu folgen.

Ich gönnte mir einen Kaffee von einer Tankstelle und legte eine kurze Pause ein. Währenddessen nahm ich meinen Pilgerführer zur Hand und blätterte, was mich auf den nächsten Km erwarten würde. Da ich diesen Weg zum ersten Mal ging, wußte ich nicht, dass es in einem Wohngebiet in der Nähe eine schöne Pilgerstatur gibt. Es war sofort für mich klar, dass ich diese aufsuchen wollte. Und es hat sich gelohnt, denn da kam zum ersten Mal richtiges freudiges Pilgerfeeling in mir hoch.

In einem Briefkasten an der Hauswand fand ich meinen ersten Stempel, den ich in meinen Pilgerpass einfügte bevor ich glücklich weiter zog.

Im Ort Mendig kann man dann zwei Wege nehmen. Es gibt einen nach Thür und einen nach Kottenheim. Die ganzen Muscheln haben mich so verwirrt, dass ich mich leider 2km verlaufen habe. Damit habe ich normalerweise kein Problem, denn das passiert, aber hier war ich ausnahmsweise genervt, da es bitterkalt war und es mir in die Knochen zog.

Irgendwann jedoch fand ich dann den richtigen Weg, welcher aus dem Ort hinaus zog in das wunderschöne Mühlental. Dort begegneten mir einige Wanderer und es zu spüren, dass die Menschen im Lockdown nichts anderes zu tun haben, als draußen herum zu laufen. Ich zog vorbei an Hühnerhöfen und Pferdeweiden. Ich liebe es Tiere zu beobachten. Einer der Hühnerhöfe war tatsächlich einer der tollsten, die ich je gesehen habe. Es war wie im Bilderbuche. Die Hühner saßen auf Stroh mit einer Feuertonne und auf der angrenzenden Schutzhütte.

Bei den Pferden musste ich etwas schmunzeln, als eines mir hinter her lief, als würde es fragen, ob es mit nach Santiago gehen könnte.

Auf dem Weg in den nächsten Ort begegnete ich einer Großmutter die mit ihren beiden Enkeln spazierte. Es gibt so viele tolle Kinder, aber die beiden gehören nicht dazu. Selten habe ich so ein Gejammer und Geschreie gehört. Die arme Großmutter hatte alle Hände voll zu tun, mit den beiden Mädchen. Ich musste mich richtig zusammen reißen, nicht ein paar Takte zu sagen, dass sie etwas netter sein sollen. Die Großmutter erschien so liebenswürdig und behielt trotzdem ihre Nerven.

Als ich den nächsten Ort sah, entschied ich mich dazu meinen Vater anzurufen und ihn zu fragen ob er mich in 45 Minuten dort abholen könnte. Dann ging mein Handy aus. Wenn Iphones etwas älter sind, wird es echt manchmal ärgerlich. Sie gehen aus, obwohl sie eigentlich noch Saft hatten.

Im Ort angekommen suchte ich den Laden, wo es den Pilgerstempel geben sollte. Laut Pilgerführer sollte dieser bis 16 Uhr geöffnet haben, doch als ich dort ankam gingen gerade die Türen zu. Eine Frau fragte ich, ob ich noch einen Stempel haben könnte. Sie fauchte nur, dass geschlossen sei. Aber dann folgte ein Mann, den ich noch mal ganz lieb fragte. Es war wohl der Chef und er war sehr freundlich und freute sich über einen Pilger, so sehr, dass er mir eine Kleinigkeit zu essen gab.

Echtes Pilgerfeeling bevor ich das Auto meines Vaters sah, was mich nach Hause bringen würde.

18km

Erkenntnisse: Immer habe ich Zweifel, Manchmal muss man einfach los gehen, Der Camino gibt dir immer was du brauchst und nicht, was du willst.

Habt einen guten Weg wo auch immer ihr gerade lang geht!

Pilgerin Miriam

Tag 2 auf dem Jakobsweg

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert