Von Highheels zu Wanderschuhen – wie ich zum Wandern kam
In diesem ersten Artikel möchte ich erläutern wie ich zum Wandern kam. Ich war nicht immer so wanderbegeistert.
Wenn ich heute an den Wochenenden zu meinen Eltern aufs Land fahre, muss ich mir immer wieder dumme Sprüche anhören. Auf dem Land aufgewachsen in einem Dorf mit 1400 Einwohnern, war mein großes Ziel immer aus dem Dorf wegzukommen und in die große weite Welt zu fliehen. Für eine kurze Zeit hatte ich sogar den Spitznamen „Das Mädchen, was im Dorf nur schläft“, denn ich nutze jede Chance in die großen Städte im Umfeld zu fahren.
Dabei kann ich nicht sagen, dass ich die Natur dort als Kind nicht genossen habe. Für mich war es normal mich mit meinen Freundin auf die Fahrräder zu schwingen um auf die Feldwege zu fahren, dort auf die Bäume zu klettern, durch Gebüsch zu alten Brunnen zu krabbeln und Obst- und Nüsse aufzusammeln, die von Bäumen gefallen waren. Immer meinen besten Freund im Schlepptau, unseren Familiendackel. Jedoch habe ich das ruhige Leben auf dem Land für selbstverständlich genommen.
Mit 20 bin ich dann fürs Studium in die große weite Welt nach NRW gezogen und wohne dort bis heute. Heute fahre ich gerne auf einen Besuch in meine alte Heimat. In meiner alten Heimat mit Begeisterung Wandern zu gehen, war jedoch eine Entwicklung, denn bis vor drei Jahren hatte ich mit Wandern gar nichts am Hut.
Mir erging es wie so einigen: Ausbildung, Studium und dann stressiger Bürojob. In meinen 20ern tanzte ich viel und hatte auch das Joggen für mich mit Anfang 30 entdeckt. Jedoch versank ich immer tiefer und tiefer in der Arbeitswelt und mit Mitte 30, saß ich dann mit 20 kg Übergewicht noch Abends spät am Schreibtisch und konnte mich nur schwer entspannen. Am Wochenende ging ich mit Freundinnen feiern. Highheels zog ich gerne an, Wanderschuhe und Outdoorklamotten fand ich häßlich. Mein hart verdientes Geld gab ich lieber für Designer Handtaschen aus, anstatt für Rucksäcke und Trekkingstöcke.
Der Stress wurde immer stärker und ich kürze an dieser Stelle einen langen Prozess ab, wenn ich schreibe, dass ich mich dann irgend wann dazu entschieden habe meine Festanstellung zu kündigen, um weiter als Freiberufler zu arbeiten.
Von Anfang an hat mir die Freiberuflichkeit gut gefallen, denn plötzlich konnte ich mir meine Zeit selbstständig einteilen. In den ersten Wochen begann ich meine Morgenstunden mit einem Rheinspaziergang. Am Wochenende machte ich meine ersten Wanderungen mit einer Freundin.
Bei diesen ersten Tageswanderungen waren 15 km und kleine Anstiege für mich schwer zu meistern und ich musste viele Pausen machen. Jedoch spürte ich wie das Wandern in der Natur mir half mich zu entspannen. Nach einem Wandertag viel ich glücklich ins Bett. Ich verbrachte stundenlang damit im Internet neue und interessante Wege für mich zu entdecken. In meinem Kopf kamen immer wieder die Gedanken hoch, dass ich gerne mehrere Tage am Stück wandern gehen würde. Die meisten Freundinnen hatten daran kein Interesse. Alleine traute ich mich nicht. Als Frau alleine mehrere Tage durch die Gegend wandern? Das lag mir fern.
In dem Sommer plante ich nach einem Business-Trip in München noch ein paar Tage nach Grainau bei Garmisch Patenkirchen auf ein Meditationsseminar zu fahren. Als ich die Zugspitze in der wunderschönen Umgebung sah, konnte ich es nicht glauben, dass ich noch nicht einmal Wanderschuhe eingepackt hatte. Während des Seminars schaute ich nur aus dem Fenster. Ich wollte nach draußen, ich wollte wandern. Am nächsten Tag ließ ich das Seminar hinter mir und suchte mir anstatt dessen eine schöne Wanderung aus dem Internet. Begeisterung pur. In Jeans und Turnschuhen machte ich meine erste Wanderung und war so begeistert, dass ich beschloss noch ein paar Tage länger dort zu bleiben. Mein Freiberuflertum zahlte sich aus. Irgendwie packte mich die Abenteuerlust: Next Stop Dolomiten.
Ich kaufte mir ein paar günstige Wanderschuhe, stieg ins Auto und fuhr durch Österreich auf die italienische Grenze zu. Ich werde nie vergessen, dass ich mich fragte, ob das nicht alles etwas zu spontan hier sei. Angekommen in einem kleinem Ort Nahe der Drei Zinnen, checkte ich in ein kleines gemütliches Hotel ein und arbeitete noch bis spät in die Nacht einige berufliche Dinge ab. Am nächsten Morgen war es dann soweit: Auffahrt zu der Auronzohütte an der die Rundwanderung beginnt. Die schöne Landschaft der Dolomiten begeisterte mich. Im Hotel Abends beschloss ich noch ein paar Tage in die Toskana zu fahren, wo ich auch noch ein paar schöne Tage erlebte. Auf der Rückfahrt war ich nicht nur Berg und Wanderbegeistert, sondern auch abenteuerlustig und ein plötzlicher Fan des spontanen Roadtrips. Zu Hause angekommen, wollte ich nur noch eins: in die Natur!
Eines Tages war ich mal wieder beruflich gestresst und in meinem Kopf gab es kein halten mehr: „Ich muss ein paar Tage raus.“ Mir vielen da zunächst die üblichen Ideen ein: Moselsteig, Rheinsteig, etc. Ich entschied mich für den Moselsteig. Einem erfahrenen Wanderfreund, dem ich davon erzählte, meinte, dass ich doch mal über den Mosel Camino nachdenken sollte. Den könne er sehr empfehlen. Von den Erzählungen begeistert ging ich sofort in das nächste Outdoorgeschäft und kaufte mir meinen ersten 30L Rucksack für eine kleine Fernwanderung. Außerdem kaufte ich mir den Outdoorguide für den Mosel Camino.
Den studierte ich, plante vier Etappen und buchte meine Übernachtungen. Am nächsten Tag ging es los nach Trier. „Wenn schon, dann richtig“, dachte ich mir, während ich in das Pilgerbüro marschierte, um mir den offiziellen Pilgerausweis ausstellen zu lassen. Mein Auto stellte ich in eine Tiefgarage und fuhr mit dem Zug von dort aus nach Traben Trabach. Mein Ziel was es in vier Tagen von Traben Trabach nach Trier zu pilgern.
Es war ein komisches Gefühl mit meinem schwer bepackten Rucksack zum Bahnhof zu laufen. Ich dachte die ganze Zeit an die Worte des Mannes im Pilgerbüro, der mich fragte, ob dies meine erste Pilgerung sei. Meinem scheuen „Ja…“ begegnete er mit den Worten: „Achtung, Pilgern macht süchtig.“ Das konnte ich mir zu dem Zeitpunkt noch ganz und har nicht vorstellen. Die ganze Pilgerung werde ich in einem späteren Post erläutern. Als ich jedoch vier Tage später in Trier zurück kam, war meine Begeisterung nicht mehr zu stoppen und ich hatte nur noch einen einzigen Gedanken: „Ich muss nach Spanien.“
Ende Juni machte ich meinen nächsten Wander und Roadtrip. Dieses Mal durch die Schweiz und durch Frankreich.
Zwei Monate später befand ich mich plötzlich im Zug auf dem Weg nach Paris. Eigentlich hatte ich vor den Jakobsweg 2020 zu pilgern, meine Ungeduld war jedoch zu groß und so nutze ich ein berufliches Sommerloch um mir meinen Traum zu erfüllen. Der Jakobsweg ist eine eigene Geschichte und hat viele Blogartikel verdient, er war aber, um schon mal so viel zu verraten, das letzte Puzzelstück, um mich schließlich Wandersüchtig zu machen.
Seitdem würde ich mich als sichere und eingeschworene Wander- und Pilgerin bezeichnen. Vor Corona bin ich den Eifel Camino gepilgert und seit sich bei uns die Lage etwas verbessert hat, pirsche ich mich immer weiter zurück zu meinen Fernwanderungen. Vor zwei Wochen war ich an der Mosel drei Tage wandern und da kam mir auch die Idee diesen Blog zu beginnen. Wandern ist nicht mehr weg zu denken. Es ist meine größte Leidenschaft und meine liebste Freizeitbeschäftigung geworden. Mein Schrank quilt über vor lauter Wanderzeugs und ich verbringe viel Zeit mit Recherche, wo es als nächstes hingehen soll. Meine Ideen, wo ich überall wandern und pilgern möchte, scheinen nicht zu enden. Hier möchte ich für mich eine Art Tagebuch darüber führen und auch für andere alte und neue Wanderbegeisterte berichten, was ich erlebt habe.